Mahnen: Viel hilft viel?

Wie oft mahnen Sie Ihre säumigen Zahler, bevor Sie die offene Forderung an einen Rechtsanwalt oder an einen Inkassodienstleister zur weiteren Beitreibung abgeben?

Sehr viele Unternehmen mahnen nach unserer Kenntnis drei- oder viermal. In Österreich hat sich aber ein 3-stufiges Mahnwesen etabliert, obwohl keine bestimmte Anzahl an Mahnungen vorgeschrieben ist.

Aber noch immer gibt es erstaunlicherweise Unternehmen, die tatsächlich neun- oder gar zehnmal außergerichtlich mahnen. Wie gut müssen diese Unternehmen wirtschaftlich aufgestellt sein, dass sie sich einen solchen Mahnprozess leisten können? Einerseits verfügen diese Gläubiger wahrscheinlich über sehr auskömmliche Margen, die ihnen den sehr hohen Aufwand im Mahnprozess erlauben. Andererseits wird aber auch deren Liquiditätslage hervorragend sein, wenn diese Unternehmen so lange auf die Geldeingänge warten können. Jedenfalls sollten diese Gläubiger aber – gerade auch bei Schlechtzahlern – eine vergleichsweise hohe Kundenbindung aufweisen.

Im Gegensatz dazu erfahren wir in jüngerer Vergangenheit aber zunehmend, dass Unternehmen die Häufigkeit ihrer Mahnungen reduzieren.

Welche Häufigkeit ist denn nun richtig oder empfehlenswert?

Die perfekte Anzahl außergerichtlicher Mahnstufen

Gibt es tatsächlich eine für alle Eventualitäten und Bedingungen gültige „richtige“ Anzahl außergerichtlicher Mahnungen? Wir glauben das nicht. Ob die Häufigkeit, mit der Sie eine offene Forderung anmahnen richtig oder perfekt ist, hängt von einigen Bedingungen ab. Einerseits spielt die Kategorie oder der Typ des Schuldners eine wesentliche Rolle. Andererseits ist aber auch die Zielsetzung, die Sie mit der Mahnung in erster Linie verfolgen, von großer Bedeutung. Nicht zuletzt hat aber auch Ihre eigene wirtschaftliche Situation einen nennenswerten Einfluss auf die Anzahl der außergerichtlichen Mahnungen, die als angemessen oder „perfekt“ bezeichnet werden kann.

Häufige außergerichtliche Mahnungen und einen späten Zahlungseingang muss man sich auch leisten können.

Gläubiger, deren Liquidität – grundsätzlich oder situativ – angespannt ist, haben kaum eine Alternative zu einem kurzen und schnellen Mahnprozess. Nur, wenn diese Gläubiger ihre Forderungen schnell eintreiben können, sind sie selbst in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachzukommen.

Verfügen die Gläubiger aber über reichlich liquide Mittel, besitzen sie die Möglichkeit – auch im Mahnprozess – sehr kunden- und serviceorientiert zu handeln. Kunden, die vorübergehend nicht zahlen können, gleichzeitig aber kooperativ sind und offen und transparent kommunizieren, können diese Gläubiger „mehr Leine lassen“. Allerdings ist es u.E. dann aber eher ratsam Rechnungen zu valutieren, eine temporäre Mahnsperre einzurichten, die Zahlung vorrübergehend zu stunden oder eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen, als öfter außergerichtlich zu mahnen.

Es kommt darauf an …

Ob es sinnvoll und erfolgreich ist, eine offene Rechnung mehrfach zur Zahlung anzumahnen hängt auch vom Schuldnertyp oder der Schuldnerkategorie ab. Die Schuldnerkategorie bestimmt sich nach den Gründen, die für die Nicht- oder Spätzahlung ausschlaggebend sind.

Es gibt z.B. die Kategorie der unorganisierten Schuldner. Als unorganisiert bezeichnen wir beispielsweise Kunden, die in der kaufmännischen Verwaltung sehr schlecht sind. In diese Kategorie gehören aber auch Kunden (i.d.R. größere Unternehmen), die überorganisiert sind und komplexe Freigabe- und Zahlungsprozesse installiert haben.

Bei Schuldnern in dieser Kategorie genügt überwiegend eine einzige Mahnung. Insbesondere dann, wenn die Mahnung auch noch eine Rechnungskopie beinhaltet, zahlen die Kunden mit der schlecht organisierten Verwaltung sehr schnell. Die überorganisierten Schuldnern melden sich zumindest und klären einen realistischen Zahlungstermin ab.

Eine andere Kategorie bilden die Kunden, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden und zumindest temporär nicht zahlen können. Solche Kunden verhalten sich erfahrungsgemäß so lange still, solange sie nicht den Eindruck gewinnen, der Gläubiger steht kurz vor der Einleitung einschneidender Maßnahmen (z.B. Liefersperre oder Beauftragung Inkassounternehmen). Jede weitere Mahnung, die auf die erste Mahnung folgt, verschafft dem Schuldner Luft. Läuft es gut, kommt der Kunde zu Geld und die offene Rechnung wird nach der zweiten oder dritten Mahnung bezahlt. Kommt es aber schlecht, fällt der Kunde komplett aus und die Forderung muss zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Je mehr Mahnstufen Sie haben, umso riskanter wird die Situation für Sie.

In einer weiteren Kategorie finden wir Kunden, die ihre Rechnungen pünktlich zahlen könnten, dies aber bewusst nicht tun. Diese Kunden nutzen den Lieferantenkredit sehr bewusst als Finanzierunginstrument. Sie verlängern den gewährten Lieferantenkredit einseitig bis zur maximal möglichen Dauer. Jede (weitere) außergerichtliche Mahnung unterstützt dieses (nicht vertragskonforme) Verhalten und spielt diesen Schuldnern in die Karten. Je mehr Mahnstufen Ihr Mahnprozess aufweist, umso mehr werden Sie von diesen Kunden „am Nasenring durch die Manege geführt“.

Das Ziel bestimmt die Richtung!

Neben der Schuldnerkategorie ist auch Ihre verfolgte Zielsetzung für die passende Häufigkeit der Mahnstufen entscheidend. Wir unterscheiden dabei i.d.R. zwischen dem Fokus auf die Zahlungsbeschleunigung und dem Fokus auf die Kundenbindung.

Wenn Ihr vordergründiges Interesse darin besteht, möglichst schnell den fälligen Rechnungsbetrag zu realisieren, dann ist eine sehr geringe Anzahl an Mahnstufen ratsam. Hier sollten Sie die säumigen Kunden bereits in der ersten (vielleicht auch einzigen außergerichtlichen) Mahnung sehr deutlich zur Zahlung auffordern und eventuelle Konsequenzen des Nichtzahlens aufzeigen. Selbstverständlich sollte bei diesem Zielschwerpunkt auch von Anfang an der Verzugsschaden geltend gemacht werden. Sehr häufig findet sich dieser Zielschwerpunkt bei Einmalkunden, Kleinstkunden, „abgetauchten“ Kunden in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und bei „Dauerkunden“ (Kunden, die nie pünktlich zahlen).

Liegen allerdings die Kundenbindung und die Kundenzufriedenheit  im Vordergrund Ihres Interesses, dann sollten Sie eher behutsam, in mehreren außergerichtlichen Maßnahmen mit vorsichtiger Eskalation der Ansprache mahnen. Solches Feingefühl im Mahnen ist insbesondere bei Key Account Kunden, Meinungsführern, strategisch wichtigen, zukünftig bedeutsamen Kunden und vor allem auch bei langjährigen Geschäftspartnern ratsam.

Einmal ist keinmal …

Unabhängig davon, ob eine Mahnung erforderlich ist, damit der Kunde in Verzug gerät und folglich Verzugsschaden geltend gemacht werden kann, sollten Sie in jedem Fall mindestens einmal außergerichtlich mahnen. Warum?

Aus drei Gründen:

  1. Jeder von uns hat sicherlich schon einmal vergessen, eine Rechnung pünktlich zu zahlen. In einem solchen Fall wird die Rechnung nahezu unverzüglich nach Eingang der Mahnung beglichen. Schneller und kostengünstiger können Sie nicht an Ihr Geld kommen.
  2. Es gehört zu den Handelsusancen, zu den Gepflogenheiten den säumigen Kunden (in der einen oder anderen moderaten Art und Weise) auf die offene Rechnung anzusprechen. Sofortige und unmittelbare juristische Schritte -oder auch außergerichtliche Maßnahmen durch teure externe Dienstleister – würden zu Recht auf Unverständnis der Schuldner stoßen. Damit würde nahezu jede Kundenbindung beschädigt.
  3. Nur wenn Sie mit dem säumigen Kunden kommunizieren – und zwar direkt und unmittelbar – erfahren Sie etwas über den Kunden. Sie können dessen Situation gerade auch im Hinblick auf künftige Geschäfte einschätzen. Im besten Fall erfahren Sie, ob dort „ein verborgener Schatz schlummert“ oder ob beim Kunden „die Hütte brennt“.

Ob Sie dann weitere außergerichtliche Maßnahmen durchführen, hängt dann davon ab, wie Sie die Situation des Kunden einschätzen und welche Zielsetzungen Sie verfolgen.

Fazit

Viel ist nicht immer gut. Aber eine Einheitslösung, bei der alle Kunden schematisch gleichbehandelt werden, trägt weder dem unterschiedlichen Stellenwert, den die einzelnen Kunden für Sie haben, noch deren Zahlungsfähigkeit ausreichend Rechnung. Ein differenzierter und strukturierter Mahnprozess verspricht den besten Erfolg.

Tue Gutes und rede darüber!

Der KSV 1870 wirft in seinem aktuellen Newsletter vom 28. März 2025 die Frage auf, ob Unternehmen mit ihrer (guten) Bonität werben sollten. Fast selbstverständlich kommt die Autorin Sandra Kienesberger zu dem Schluss: „Ja, warum eigentlich nicht?“

Sie argumentiert, dass eine gute eigene Bonität als Marketinginstrument eingesetzt werden kann und – nach den Erfahrungen des KSV 1870 – in Österreich auch zunehmend eingesetzt wird. Die Einstellung „meine Bonität geht niemanden etwas an“ scheint demnach nicht mehr weit verbreitet zu sein. Vielmehr ist die Kommunikation der eigenen Bonität bei etablierten Unternehmen im Rahmen des Risikomanagements als „state of the art“ zu bezeichnen. Der KSV 1870 bietet dazu das „Produkt“ BonitätsLabel an.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Unabhängig davon, ob Sie ein Angebot wie das BontätsLabel für die Kommunikation mit Ihren Kunden oder Lieferanten nutzen, sind wir der Meinung, dass eine offene und transparente Kommunikation mit Kunden und Lieferanten gerade in Zeiten schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen erfolgsentscheidend ist. Je schwieriger die Handlungsbedingungen auf den Märkten werden, desto wichtiger wird eine vertrauensvolle und offene Kommunikation. Und Vertrauen setzt valide Informationen voraus.

Teilen wir mit wichtigen Kunden und mit wichtigen Lieferanten die Informationen, die die Grundlage unserer Entscheidungen bilden: Sprechen wir offen über Bonitäten, Kreditlimits, Versicherungszusagen etc. Unsere Kunden werden unsere Entscheidungen besser nachvollziehen können, wenn sie wissen, dass wir die zur Verfügung gestellte Kreditlinie von der Bonität des Kunden und ggf. von Versicherungszusagen einer Warenkreditversicherung abhängig machen. Wenn wir dann auch noch zeitnah mit unseren Kunden über Veränderungen dieser Größen sprechen und die betriebswirtschaftlichen Gründe für diese Veränderungen kennen, werden unsere Entscheidungen nachvollziehbarer.

Sie können dann leichter akzeptiert werden und damit wird dann die Grundlage für eine weitere tragfähige Zusammenarbeit geschaffen. Manchmal ist es dann also doch besser zu Reden, als zu Schweigen.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt!

Wir Creditmanager haben alle schon mehr oder weniger oft die Erfahrung gemacht, dass es manchmal sinnvoll ist, Informationen – auch von etablierten Auskunfteien – zu hinterfragen. Wir alle kennen die Problematik der sogenannten Alpha- und Beta-Fehler. Manchmal stellen wir dann tatsächlich fest, dass so mancher Glanz bei näherem Hinsehen verblasst. Oder auch, dass sich unter einer angestaubten Oberfläche viel Glanz verbergen kann.

Und was bedeutet das nun für Credit Manager*innen im Hinblick auf das BonitätsLabel des KSV 1870?

Zunächst einmal: Wenn Kunden oder Lieferanten ein solches Label besitzen und verwenden, ist das für das Credit Management willkommen. Es erspart uns Arbeit, da wir sehr schnell und einfach auf den aktuellen Bonitätsstatus des Geschäftspartners zugreifen können. Die „gewonnene“ Zeit können wir dann unter anderem für die Analyse und Hinterfragung des Ergebnisses nutzen. Oder wir können die freie Kapazität nutzen, um mit dem Kunden oder auch Lieferanten über das jeweilige Ergebnis und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu sprechen.

Zweitens: Nicht jeder Kunde oder Lieferant, der nicht über ein solches Label verfügt, ist per se ein schlechter Geschäftspartner. Denn zum einen ist das Bonitätslabel noch nicht lange genug auf dem Markt (zwei Jahre), um eine breite Durchdringung und Verbreitung erreicht zu haben. Zum anderen muss nicht jeder potenzielle Geschäftspartner zu dem Schluss kommen, dass er ein solches Label benötigt, um seine Bonität und Kreditwürdigkeit zu kommunizieren. Das Phänomen der so genannten „Hidden Champions“ zeigt, dass Spitzenleistungen auch ohne große Bühne und ohne öffentliche Darstellung zu finden sind. Möglicherweise gibt es mehr „Hidden Bonitäts Champions“ als wir denken.

Drittens: Wir Credit Manager*innen sollten uns vor der „Komfortfalle“ in Acht nehmen. Es besteht eine gewisse Tendenz, die bloße Existenz des Bonitätslabels mit der Zeit als ausreichend zu betrachten und die Bonität nicht mehr genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese Gefahr wird umso größer, je mehr Anbieter solche Labels kreieren und vermarkten. Sollte die Zahl der „Bonitäts-Labels“ zunehmen, könnte es immer schwieriger werden, „hinter das Label“ zu schauen (um vielleicht den einen oder anderen verborgenen Schatz zu entdecken).

Quintessenz?

Das Angebot des BonitätsLabel ist aus unserer Sicht zu begrüßen. Wer eine gute Bonität hat, sollte gerne damit „werben“. Für Credit Manager*innen ist ein Bonitätslabel ein erstes Indiz für eine gute Geschäftsbasis. Es erspart uns aber nicht, „hinter das Label“ zu schauen und uns intensiv mit dem Geschäftspartner und seiner Bonität zu beschäftigen. Zumindest nicht bei den wichtigen Geschäftspartnern. Und es gibt uns immer wieder die Möglichkeit und sollte Ansporn sein, mit unseren Geschäftspartnern auch über vermeintliche Tabuthemen mehr und intensiver zu sprechen.