Hauptsache „flüssig“ bleiben
Die Creditreform rät in ihrem Newsletter am 11. November 2024 kleinen und mittelständischen Unternehmen, beim Bemühen um Stabilität und Existenzsicherung des Unternehmens, ein großes Augenmerk auf die Liquidität und die Liquiditätsplanung zu legen. Ausreichende Liquidität gewährleistet die eigene Fähigkeit, fällige Verbindlichkeiten pünktlich zu bedienen. Das Risiko, wegen Zahlungsunfähigkeit eine Insolvenz beantragen zu müssen, wird dadurch verringert.
Aber, es ist nicht so einfach „flüssig zu bleiben“. Kunden finden zunehmend Vorwände und Ausreden, um Rechnungen nicht pünktlich zu zahlen. Auf Mahnungen reagieren sie erst einmal nicht und hoffen, eine „Vogel-Strauß-Politik“ (Kopf in den Sand stecken) würde ihnen helfen. (Leider tut sie das auch, weil viele Lieferanten und Dienstleister zu zögerlich [also zu spät, in zu großen Abständen] und zu oft in untauglicher Weise mahnen.)
Bei den anhaltend zunehmenden Insolvenzen und den gleichzeitig wachsenden Schadensbeträgen, wächst das Risiko, dass Kundeninsolvenzen ein großes Loch in die Liquidität reißen. Wenn dann die Kreditlinien bei der Bank ausgereizt sind, kann es tatsächlich eng werden.
Was tun? Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!
Das Beste ist, bezogen auf die Liquidität, stets genügend „Wasser unter dem Kiel zu haben“. Also: Besser die Liquidität „nicht auf Kante nähen“ und sicherstellen, dass Ihr Geld nicht auf den Bankkonten und in den Kassen Ihrer Kunden liegt, sondern bei Ihnen in Ihrem Verwendungsbereich. Aber wie schaffen Sie das, wo Sie doch sowieso gerade einen Personalmangel im Finanzbereich haben und Ihre Mitarbeitenden jetzt schon mehr Arbeit haben, als sie dauerhaft bewerkstelligen können?
Factoring: Die eierlegende Wollmilchsau zur Lösung der Liquiditäts- und Forderungsausfallprobleme?
Factoring[1] ist der regelmäßige Verkauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an einen Factor (Factoring-Institut). Im Gegenzug erhält das Unternehmen, das seine Forderungen verkauft, 80 bis 90 Prozent des Kaufpreises sofort, den Rest nach vertraglicher Vereinbarung. Auf diese Weise kann das Unternehmen, dass seine Forderungen verkauft, seinen Zufluss an liquiden Mitteln verstetigen und absolut planbar gestalten.
Obwohl bereits diese Verstetigung und Beschleunigung der Liquidität einen nennenswerten Vorteil für die Forderungsverkäufer darstellen, wird das Finanzierungsinstrument Factoring aus unserer Sicht -gerade bei Klein- und mittelständischen Unternehmen- noch zu selten für die Aufnahme in den Finanzierungsmix in Betracht gezogen und ernsthaft geprüft. Die Factoringbranche verzeichnet zwar Jahr für Jahr signifikante Zuwächse, das Wissen um die Möglichkeiten des Factoring ist bei den potenziellen Kunden bzw. Nutzern, nach unserer Wahrnehmung noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Wir halten Factoring für ein Finanzierunginstrument, das vielen Unternehmen unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen helfen könnte, die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Daher wollen wir Ihnen diese Form der Finanzierung ein wenig näher bringen.
Durch den Verkauf der Forderung an das Factoring-Institut, geht das Forderungsausfallrisiko auf den Käufer, also auf den Factor, über. Wenn die Forderung also vom Factor angekauft wurde, müssen Sie sich um den Ausfall (und den damit möglicherweise verbundenen Schaden) keine Sorgen mehr machen. Sollte ein Ausfallschaden eintreten, so trifft der den Factor und nicht Sie. Das Delkredererisiko geht durch den Verkauf vollständig auf den Käufer über.
Der Verkauf hat neben der Risikoreduktion und der gewonnenen Liquidität möglicherweise aber einen weiteren Vorteil für Sie. Der Verkauf der Forderung bewirkt zunächst, dass Sie Ihren Forderungsbestand reduzieren und im Gegenzug den Wert im Bereich Bank bzw. Kasse um den gleichen Betrag erhöhen. Dieser Aktivtausch führt bereits zu einer ersten Verbesserung einer Ihrer Unternehmenskennzahlen: Der Cash-Conversion-Cycle wird besser. Er verkürzt sich exakt um die Reduktion der Forderungslaufzeit, die durch das Factoring erzielt wird.
Exkurs:
Der Cash-Conversion-Cycle (CCC) beschreibt die Geldumschlagsdauer. Er misst die Kapitaleffizienz eines Unternehmens, in dem die Dauer, bis eine Investition wieder zur freien Liquidität wird, ermittelt wird. Der Cash-Conversion-Cycle berechnet sich aus DSO (Days Sales Outstanding = Forderungslaufzeit oder Außenstandsdauer), den DPO (Days Payables Outstanding = Kreditorenlaufzeit) und den DIO (Days Inventory Outstanding). Die Formel lautet: CCC = DSO + DIO – DPO
Wenn Sie die „gewonnene“ Liquidität nun nutzen, um Verbindlichkeiten zu reduzieren und Lieferantenrechnungen zu begleichen, verringert sich dadurch Ihre Bilanzsumme. Und dies hat für Sie den positiven Effekt, dass sich Ihre Eigenkapitalquote verbessert (und zwar ohne tatsächlich dem Unternehmen mehr Eigenkapital zur Verfügung zu stellen). Die Eigenkapitalquote ist eine der wesentlichen Kennzahlen, die u.a. dafür maßgeblich sind, wie Ihre Bonität beurteilt wird und zu welchen Konditionen Sie Fremdkapital aufnehmen können.
Einen nicht unerheblichen, einmaligen Effekt für Ihre Liquidität können Sie dann erzielen, wenn der Factor bereit ist, Ihren factorablen bereits vorhandenen Forderungsbestand anzukaufen. Das hebt Ihre Liquiditätsausstattung mit einem Schlag auf ein höheres Niveau.
Factoring kann Ihnen darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Vorteile bieten:
- Verlässliche und sichere Finanzplanung
- Größerer finanzieller Handlungsspielraum
- Spielraum zur Einräumung längerer Zahlungsziele gegenüber Debitoren
- Erhöhung der Eigenkapitalquote
- Besseres eigenes Rating/eigene Bonität durch optimierte Bilanzstruktur
- Sicherheit durch Schutz vor Zahlungsausfällen aufgrund Delkredereabsicherung der Debitoren
- Bessere Möglichkeiten Skonto-, Rabatt- und Boni-Angebote zu nutzen
- Mehr Unabhängigkeit von Banken
Bei all diesen Vorteilen, wo ist der Haken?
Der Haken, wenn Sie es so nennen möchten, findet sich in dem Umstand, dass Sie die beschriebenen Vorteile nicht zum Nulltarif erhalten können; sie kosten (und das dürfte Sie nicht wirklich überraschen) Geld. Die spannende Frage ist: Wie viel kostet das? und Ist der Nutzen des Factoring spürbar größer als die damit verbundenen Kosten? Um diese Fragen konkret für Ihr Unternehmen zu beantworten, müssen die spezifische Situation Ihres Unternehmens und die Struktur Ihrer Debitoren, analysiert und bewertet werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich die Finanzierungsgebühren (Zinsen für den vom Factor gezahlten Kaufpreis der Forderungen für die Dauer bis zum tatsächlichen Zahlungseingang) in der Regel etwas unter dem marktüblichen Zins für Fremdkapital bewegen und die Kosten für die Verlagerung des Delkredererisikos auf den Factor ebenfalls konkurrenzfähig zu Versicherungsgebühren für eine Warenkreditversicherung sind. Ob eine Entscheidung für Factoring sich für Sie lohnt, das hängt von vielen Faktoren ab. Es lohnt sich für Sie aber auf jeden Fall, sich ein individuelles Angebot unterbreiten zu lassen.
Wie kann ich Factoring schnellstmöglich realisieren?
Wenn Sie im Factoring den letzten Strohhalm sehen, um nicht für Ihr eigenes Unternehmen Insolvenzantrag zu stellen, dann müssen wir Sie wahrscheinlich enttäuschen. Entgegen der landläufig oft vertretenen Aussage, Factoring würden nur Unternehmen durchführen, denen „das Wasser bereits bis zum Hals steht“, ist für das Factoring wichtig, dass das Unternehmen, das die Forderungen verkauft, eine eher gute Bonität besitzt. Deshalb raten wir Ihnen, früh- bzw. rechtzeitig tätig zu werden.
Da in den letzten Jahren das Factoringangebot in mehrfacher Hinsicht zugenommen hat (u.a. Zahl der Angebote, wachsende Anzahl Factoringarten, zunehmende Eignung für unterschiedliche Branchen), ist es unserer Meinung nach ratsam, sich bei der Anbieter- und Produktauswahl von ausgewiesenen Experten, durch spezialisierte Makler für Kreditversicherungen, Bürgschaften, Factoring etc., unterstützen zu lassen. Nach unserer Erfahrung ist das Engagement dieser Berater für die Factoringkunden kostenfrei, sie erhalten Provisionen für die vermittelten Aufträge von den Factoringinstituten.
Alle, die vor der Kontaktaufnahme mit Maklern oder Anbietern noch Informationen über die Vorgehensweise bei der Realisierung von Factoring wünsche oder benötigen, können in unserem nächsten Beitrag dazu ein wenig mehr erfahren.
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[1] Factoring ist in Österreich ein Bankgeschäft im Sinne des Bankwesengesetzes (BWG). Gemäß § 1 Abs 1 Z 16 BWG wird Factoring als „der Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen, die Übernahme des Risikos der Einbringlichkeit solcher Forderungen – ausgenommen die Kreditversicherung – und im Zusammenhang damit der Einzug solcher Forderungen (Factoringgeschäft)“ definiert.; Quelle: https://www.factoring-verband.at/factoring-verband/rechtliche-rahmenbedingungen/; zugegriffen 21.11.2024