Lieber gleich kassieren

Im Credit Management ist es völlig unstrittig, dass die Gestaltung der Zahlungsbedingungen ein probates Mittel zur Reduktion von Forderungsausfallrisiken und zur Verbesserung der eigenen Liquidität darstellen. Regelmäßig werden beispielsweise sehr spät zahlende Kunden vom Credit Management auf Vorkasse gesetzt. Gleichwohl findet sich die Zuständigkeit und die Verantwortung für die Definition der Zahlungsbedingungen, die Kunden grundsätzlich und in jedem einzelnen Fall eingeräumt werden, sehr oft (aus unserer Sicht zu häufig ) zunächst ausschließlich im Vertrieb. Dies ist teilweise nachvollziehbar. Denn Zahlungsbedingungen beeinflussen nicht nur Ausfallrisiko und Liquidität, sondern auch Umsatz und Marktanteile. Sie stellen für den Vertrieb nicht selten ein wesentliches und sehr wirksames Verkaufsargument und eine Möglichkeit sich positiv vom Wettbewerb zu differenzieren dar. Zahlungsbedingungen sind in vielen Fällen branchenspezifisch gewachsen und bilden damit die grundsätzlichen (Finanzierungs-) Anforderungen der Branchen ab. In ähnlicher Weise beobachten wir sehr deutliche Unterschiede in den Zahlungsbedingungen unterschiedlicher Länder. Sie sind zentraler Bestandteil der Handelsusancen dieser Länder.

Kann es vor diesem Hintergrund richtig oder sinnvoll sein, seine Zahlungsbedingungen in schwierigen Marktbedingungen pauschal und reflexartig auf Vorauskasse, Direktzahlung oder kurze Zahlungsziele umzustellen? Unsere Meinung dazu heißt: NEIN!

Das Ausfallrisiko und das Zahlungsverhalten Ihrer Kunden sind ebenso wie deren Umsätze, Deckungsbeiträge und Dauer der Geschäftsbeziehung sehr unterschiedlich. Insbesondere im B2B-Geschäft sind die Geschäftsbeziehungen einzigartig und zwischen den Kunden kaum zu vergleichen. Dieser Fakt genügt bereits, um zu dem eindeutigen Ergebnis zu kommen, dass pauschale Empfehlungen und insbesondere deren Anwendung (nicht nur) in schwierigen Zeiten selten hilfreich und oft sogar schädlich sind. Credit Manager*innen wissen, dass stets nur eine tendenziell geringere Anzahl ihrer Kunden schlecht zahlen oder ein hohes Ausfallrisiko aufweisen. Das „Kind mit dem Bade ausschütten“ würde daher mehr schaden als nutzen.

Richtig und wichtig ist es aber, gewährte Zahlungsbedingungen in „Krisenzeiten“ zu hinterfragen und ggfs. zu verändern. Um die berechtigten Interessen von Credit Management und Vertrieb gleichermaßen zu würdigen, empfehlen wir, diese Neubewertung gemeinsam vorzunehmen. Neben der Beurteilung des gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Ausfallrisikos, des Zahlungsverhaltens des Kunden, seiner Widerstandsfähigkeit in den bestehenden Rahmenbedingungen, muss zwingend auch sein Stellenwert für Umsatz, Ertrag, Marktpositionierung und Entwicklung des eigenen Unternehmens angemessen ins Kalkül einbezogen werden.

Bei wichtigen Kunden mit anhaltend guter Bonität und positiver Prognose dürfte ebenso wie bei kleinen Kunden mit anhaltend schlechter Bonität und negativer Prognose kaum Handlungsbedarf bzw. Dissens zwischen Vertrieb und Credit Management bestehen. Anders sieht es aber bei großen und wichtigen Kunden mit schlechter Bonitätsprognose und auch bei kleineren Kunden mit positiver Bonität und Prognose aus. Hier besteht Handlungsbedarf.

Bei größeren und wichtigen Kunden müssen Sie versuchen, die Ausfall- und Liquiditätsrisiken auf ein vertretbares Maß zu begrenzen, ohne dabei den Umsatz und die gewünschte Umsatzentwicklung zu beeinträchtigen. Bei Kunden, mit den Sie geringere Umsätze trotz guter Bonität tätigen, sollte Ihre Zielsetzung in einer Ausweitung der Geschäftsbeziehung bestehen, ohne dadurch das Risiko über ein vertret- und verkraftbares Maß hinaus zu steigern.

In beiden Fällen kann die Änderung der Zahlungsbedingungen ein Gestaltungselement sein, wobei lediglich bei den größeren Kunden mit zunehmendem Risiko eine Verkürzung der Zahlungsbedingungen überhaupt in Betracht gezogen werden sollte. Bevor Sie die Zahlungsziele jedoch reduzieren, denken Sie bitte daran, dass eine Verkürzung der Zahlungsziele gerade für Kunden, die sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befinden, aus deren Perspektive sehr häufig keine Problemlösung, sondern eine Problemverschärfung darstellt. Die Verkürzung der Zahlungsziele erhöht den Liquiditätsbedarf, vergrößert die Liquiditätslücke zusätzlich und reduziert deren Möglichkeit Lieferanten pünktlich zu zahlen. Wegen dieser negativen Wirkung für Ihre Kunden sollten Sie die Verkürzung der Zahlungsbedingungen in den genannten Konstellationen eher als ultima ratio ansehen und zuvor andere Optionen nutzen.

Aber was genau können Sie tun? Zum einen können Sie versuchen, ihr Forderungsausfallrisiko besser als bisher abzusichern. Von diversen Versicherungsalternativen, über Forderungsabtretungen und Bürgschaften bis hin zu Sicherungsübereignungen gibt es vielfältige Möglichkeiten. Wichtig ist es, tatsächlich die gesamte Klaviatur der Möglichkeiten zu nutzen und sich nicht ausschließlich auf ein Instrument zu verlassen. Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle auch die Nutzung von Factoring. Factoring kann Lieferanten und Dienstleistern einerseits und deren Kunden andererseits in zweierlei Hinsicht helfen. Erstens wird beim Factoring das Ausfallrisiko einer verkauften Forderung zu 100 Prozent abgesichert. Zweitens erhält der Gläubiger in kürzester Zeit den Zahlungseingang, ohne dass dadurch zusätzlicher Liquiditätsdruck beim Schuldner aufgebaut wird. Vorteilhaft am Factoring ist außerdem, dass die konkrete Ausgestaltung mittlerweile derart vielfältig und variantenreich ist, dass es nahezu für alle Anwendungskonstellationen eine passende Lösung gibt.

Was im gesamten Spektrum der Möglichkeiten aber die adäquate Lösung aus Sicht des Gläubigers ist, hängt nicht nur von der Bonität des Kunden und den Möglichkeiten der Marktangebote ab. Auch die Situation und die Lage des Lieferanten oder Dienstleisters spielt eine ganz entscheidende Rolle für die „richtige“ Wahl der Handlungsoptionen. Dazu erfahren Sie mehr in unserer nächsten Veröffentlichung.