Mahnen – das Praxismotto: Besser spät als nie!
Die Frage nach dem Zeitpunkt der ersten Mahnung (und natürlich auch der danach folgenden weiteren Mahnungen) wird in der betrieblichen Praxis sehr unterschiedlich beantwortet. Nach wie vor finden wir sehr häufig Regelungen, die das Mahnen auf einen bestimmten Wochentag oder einen Kalendertag in einem ein- oder mehrwöchigen Rhythmus festlegen.
Mit solchen Festlegungen sind dann vordergründig zwei Auswirkungen regelmäßig anzutreffen:
- Die Anzahl der pro „Mahnlauf“ zu bearbeitenden Mahnfälle wird ziemlich groß.
- Die Neigung sich diesem Arbeitsberg anzunehmen, schwindet bei den Beschäftigten mit zunehmender Fallzahl.
Darüber hinaus hat eine solche Festlegung aber noch einen weiteren Effekt: Da die Mahnungen nicht unmittelbar nach Fälligkeit erstellt/vorgenommen werden, erscheint es weniger problematisch noch einen Tag oder mehrere Tage später die Mahnungen erst zu bearbeiten. Es ist ja sowieso schon ein gewisser „Zeitverzug“ entstanden. Daher werden -besonders dann, wenn es personelle Engpässe in Kombination mit anderen dringenden oder wichtigen Aufgabenstellungen gibt- die Mahnaktivitäten weiter nach hinten verschoben. Und das häufig nicht nur einmal; in ungünstigen Fällen wieder und wieder…
Ein anderer Sachverhalt führt in gleicher Weise dazu, dass geplante Mahnaktivitäten nicht wie vorgesehen durchgeführt werden. In sehr vielen Unternehmen ist die Aufgabe zu mahnen lediglich einer Person (in Kleinunternehmen) oder sehr wenigen Personen (in mittelständischen Unternehmen) zugewiesen. Im Abwesenheitsfall bleiben diese Arbeiten dann aus quantitativen und aus qualitativen Gründen liegen. Einerseits kann das „große“ Mahnaufkommen dann von Kolleg*innen nicht noch zusätzlich erledigt werden. Andererseits sind aber auch Wissen und Informationen (sowohl Fachwissen als auch die Kenntnis der internen Abläufe und der Bearbeitungsstände) zur effizienten Bearbeitung der Vorgänge bei den Vertreter*innen oft nicht vorhanden.
Warum wird eigentlich in bestimmten zeitlichen Rhythmen/Zyklen gemahnt?
Unserer Meinung nach ist diese Art der Arbeitsorganisation ein Relikt aus der Vergangenheit. Noch bis in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts war die IT-Unterstützung in den Unternehmen mit der heutigen Leistungsfähigkeit der kaufmännischen Systeme nicht annähernd vergleichbar. Sowohl bei der Verarbeitung der Fakturierung als auch bei der Gutschrift von Zahlungseingängen im Debitorenkonto war die Batch-Verarbeitung üblich. Das heißt, in i.d.R. nachts laufenden Jobs wurden die zuvor erfassten Daten in einer Stapelverarbeitung in den Debitorenkonten aktualisiert. Diese Art der Datenverarbeitung hatte die Konsequenz, dass im Zweifel die Datenbestände in der Debitorenbuchhaltung nur zu Tagesbeginn aktuell waren.
Auch der Vorgang zur Erstellung von Mahnschreiben konnte nicht „einfach“ im Verlauf des Tages von den zuständigen Mitarbeitenden angestoßen werden. Mahnschreiben wurden als Batch-Job terminiert und sind dann zum festlegten Zeitpunkt nachts erstellt worden. Sie konnten dann am Folgetag per Post verschickt werden. Es sind in der Praxis Fälle bekannt, in denen der sogenannte Mahnlauf auf zwei Jobs in zwei aufeinander folgenden Nächten aufgeteilt werden musste. Die Rechnerleistung einerseits und die Vielzahl der nachts laufenden Jobs andererseits führten dazu, dass nicht genügend Zeit in einer Nacht verfügbar war.
Aber diese Bedingungen sind nicht mehr vorhanden: Kundendaten sind stets aktuell. Rechnungen, Gutschriften und Zahlungseingänge werden mittlerweile sofort im Kundenkonto eingebucht. Mahnungen können mit wenigen Klicks innerhalb weniger Minuten erstellt und dezentral gedruckt oder per E-Mail verschickt werden. Es ist also nicht mehr erforderlich in festgelegten zeitlichen Abständen oder zu einheitlichen Terminen zu mahnen. Es kann jederzeit, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen, gemahnt werden. Es ist also nicht mehr nötig, nur an bestimmten Tagen nach definierten Zeitspannen zu mahnen.
Ein weiterer Grund für spätes Mahnen: Karenztage!
In den betrieblichen Mahnprozessen finden sich sehr oft sogenannte Karenztage. In den DV-Systemen wird eine Zeitspanne eingerichtet, die fällige Zahlungen erst nach Ablauf der festgelegten Frist in den Mahnlauf einbezieht. Dort, wo mehrere außergerichtliche Mahnschreiben verschickt werden, finden sich diese Karenztage dann in der Regel noch einmal nach jeder Zahlungsfrist, die den Kunden im Mahnschreiben „neu“ gesetzt werden.
Warum es diese Karenztage gibt, das ist leicht zu erklären. In der Vergangenheit war pünktliches Bezahlen einer Rechnung schon dann erreicht, wenn der Schuldner, den Rechnungsbetrag am Fälligkeitstag angewiesen (also auf die „Reise“ geschickt) hatte. Das hat sich vor einiger Zeit bereits geändert. Eine Zahlung ist nur noch dann pünktlich, wenn sich das Geld am Fälligkeitstag in der Verfügungsmacht des Gläubigers befindet. Es ist in vielen Fällen daher nicht mehr erforderlich, Geldtransferzeiten (Banklaufzeiten) als Puffer einzukalkulieren. Zumal seit der Umsetzung von SEPA die Banklaufzeiten im SEPA-Raum einheitlich nur einen Tag betragen dürfen. Mit der jüngsten Entwicklung (für Echtzeitüberweisungen dürfen keine höheren Gebühren als für Standardüberweisungen erhoben werden) ist es auf absehbare Zeit sogar möglich, einen Geldtransfer innerhalb von 10 Sekunden vorzunehmen. Dieser Grund für Karenztage ist also zwischenzeitlich entfallen.
Ein weiterer (früher nachvollziehbarer) Grund findet sich in den IT-Prozessen. Wurden früher Kontoauszüge per Briefpost oder per Bote/Abholer vom Kreditinstitut zum Bankkunden transportiert, stehen heute alle Bankauszüge online zur Verfügung. Auch die Verarbeitung der Zahlungseingänge hat sich verändert. Während früher Kontoauszüge aufwendig abgetippt und manuell gebucht werden mussten, findet sich heute in der weit überwiegenden Zahl der Unternehmen die“ automatische Bankbuchung“. Oft können so 80 – 90 Prozent dieser Buchungssätze automatisch generiert werden. Weitere Entlastung und Beschleunigung verspricht die europaweit bevorstehende (teilweise bereits realisierte) verbindliche Einführung der E-Rechnung. Auch diese Begründung für Karenztage ist also zwischenzeitlich entfallen.
Auch bei dem letzten nachvollziehbaren Grund für die Nutzung von Karenztagen sind mittlerweile gravierende Veränderungen eingetreten. Oft wurden Karenztage auch damit begründet, dass Zahlungen ggf. innerhalb einer sehr kurzen Frist nach Fälligkeit eingehen. Ein Mahnprozess ohne Karenztage würde in diesen Fälle unnötige Portokosten verursachen; es wäre also schlichtweg Geldverschwendung. Mittlerweile ist aber nicht nur der Rechnungsversand, sondern auch der Versand von Mahnungen via E-Mail oder auch unter Nutzung von Messengerdiensten weit verbreitet. Da nahezu alle Unternehmen Flatrate-Verträge für ihre elektronische Kommunikation haben, verursachen Mahnungen keine „Portokosten“.
Personalmangel, ein Grund für spätes oder ausbleibendes Mahnen
Sowohl quantitativ als auch qualitativ fehlt es häufig an Personal im Verwaltungsbereich der Unternehmen. Je kleiner die Unternehmen sind, umso stärker fallen unerwartete und anhaltende Vakanzen ins Gewicht. Als Folge dieses Mangels werden Arbeiten verschoben oder auch gar nicht mehr ausgeführt. Damit begeben sich dann viele KMU in einen Teufelskreis: Je seltener gemahnt wird, umso größer wird der Arbeitsberg, der beim Mahnen dann zu bewältigen ist. Je größer der Arbeitsberg ist, desto mehr Arbeitszeit wird beansprucht. Diese Arbeitszeit ist aber nicht vorhanden, also wird die Bearbeitung wieder in die Zukunft verschoben: eine durch die Umstände erzwungene Form der Prokrastination.
Aber auch für dieses Problem gibt es mittlerweile Lösungen. Dank leistungsfähiger IT-Lösungen und komfortablen Möglichkeiten des Datenaustausches, können für die Durchführung von Mahnungen entsprechend spezialisierte Dienstleistungsunternehmen beauftragt werden.
Beim (ggfs. temporären) Outsourcing des Mahnens können die Auftraggeber den Mahnprozess sehr stark auf ihre spezifischen Bedingungen und Wünsche anpassen (lassen). Die Dienstleister stellen sogenannte Whitelabel-Lösungen zur Verfügung. Das bedeutet, dass die Mahnungen genauso gestaltet werden, dass der Schuldner gar nicht erkennen kann, dass die Mahnung von einem Dienstleister erstellt und verschickt wurde. Selbstverständlich kosten solche Dienstleistungen Geld. Aber, das Angebot ist überraschend preisgünstig. Und allemal kostengünstiger, als einen Großteil der überfälligen Außenstände abzuschreiben.
Nachdem die Gründe für einen späten Start des Mahnprozesses mittlerweile nahezu ausnahmslos entfallen sind. Sollte das Motto für den Start des Mahnprozesses also besser lauten:
Je früher, desto besser!
Jeder Tag, den Sie nach Eintritt der Fälligkeit auf Ihre Zahlungseingänge warten, kostet Sie Liquidität und verursacht ggfs. vermeidbaren Finanzierungsaufwand. Beides können Sie durch zeitnahes Mahnen, unmittelbar nach Eintritt der Fälligkeit in Ihrem Sinne beeinflussen.
Wenn Sie Ihre säumigen Kunden täglich, am Folgetag der Fälligkeit mahnen, verdeutlichen Sie Ihren Kunden:
- Pünktliche Bezahlung ist für Sie wichtig. Vereinbarte Zahlungsziele haben für Sie einen hohen Stellenwert.
- Dem Kunden eingeräumte Zahlungsziele sind von Ihnen kalkulatorisch eingerechnet. Es handelt sich nicht um „willkürliche“ Entscheidungen; es sind keine Giveaways, sondern handfeste betriebswirtschaftliche Größen.
- Ihre Prozesse sind zuverlässig, Sie achten auf alle kaufmännischen Aspekte. In Ihrem Unternehmen wird nichts verschwendet.
Das alles führt dazu, dass Sie in Ihrer Argumentation glaubwürdig und authentisch vom Kunden wahrgenommen werden. Der Kunde erkennt, dass pünktliches Zahlen wichtig ist. Er merkt, dass Sie das zeitnah beobachten. Und er lernt, dass ihm das versehentliche oder auch absichtliche Hinauszögern von Zahlungen keine Vorteile bringt. Mittelfristig wird sich die „Zahlungstreue“ der Kunden verbessern und damit der Gesamtaufwand für das Mahnen bei Ihnen reduzieren.