Mahnen: Eine lästige Übung oder After-Sales-Marketing?

Die Antwort auf diese Frage ist leider nicht eindeutig. Sie lautet wie so häufig: „Es kommt darauf an.“ Und zwar darauf, um welchen Kunden es sich handelt. Und damit auch darauf, welchen Stellenwert der Kunde für Ihr Unternehmen hat. Im Vertrieb strukturieren Sie Ihre Kunden seit Jahren oder gar Jahrzehnten in A-, B- oder C-Kunden. Eine solche Einteilung hat sich im Credit Management noch nicht auf breiter Basis durchgesetzt. Leider werden – zumindest, wenn es um das Mahnen geht – die Kunden meist danach differenziert, wie lange die Forderungen unbezahlt geblieben sind. Noch immer sind mehrere außergerichtliche Mahnungen üblich; in der Praxis finden sich häufig derer drei. Wenn es dann schlecht läuft, erhalten A-Kunden (die seit Jahren ihre Rechnungen pünktlich begleichen und nur einmal versehentlich eine kleine Rechnung übersehen) das gleiche Mahnschreiben, das auch kleine Einmalkunden erhalten. Während beim A-Kunden die Mahnung After-Sales-Marketing sein könnte – oder besser gesagt sein müsste -, handelt es sich bei dem kleinen Einmalkunden tendenziell eher um eine „lästige Übung“.

Differenzieren Sie Ihr Mahnkonzept auch nach dem Stellenwert, den Ihre Kunden für Ihren wirtschaftlichen Erfolg haben.

Sie können sicher sein, dass jeder ihrer A-Kunden seinen Stellenwert für Ihr Unternehmen kennt. Und sehr wahrscheinlich wird jeder A-Kunde auch gerne entsprechend diesem Stellenwert behandelt werden wollen. Und diese Erwartung hegen diese Kunden nicht nur, wenn es Ihnen darum geht neue Aufträge bei den Kunden zu platzieren. Die A-Kunden möchten in jeder Hinsicht als A-Kunden behandelt, quasi „hofiert“ werden. Auch im Mahnwesen gilt daher grundsätzlich (zumindest bei langjährigen und wichtigen Kunden): „Der Kunde ist König.“

Am anderen Ende der Stellenwert-Skala finden Sie Kunden, die ggfs. eher zufällig bei Ihnen gekauft haben, die keinerlei Beziehung und Bindung zu Ihrem Unternehmen aufweisen und deren Nachfragevolumen für Ihr Unternehmen von sehr geringer Bedeutung ist. Wenn diese Kunden ihre Rechnungen nicht pünktlich bezahlen, dann sind die Gründe beim Kunden dafür sehr häufig:
– mangelnde Verlässlichkeit der internen Verwaltungsprozesse beim,
– der Versuch, einen möglichst lang andauernden und kostenlosen Lieferantenkredit zu erhaschen,
– eine temporär unzureichende Liquidität,
– die Hoffnung „übersehen“ zu werden oder
– der Wunsch, dass Ihnen die Forderung zu gering ist und Sie daher auf Mahnaktivitäten verzichten.

Die Schilderung der extremen Endpunkte in der Stellenwert-Skala der Kunden verdeutlicht, dass eine entsprechende Differenzierung der Mahnaktivitäten sinnvoll und ratsam ist.

One face to the customer: Wer soll die Schlechtzahler mahnen?

In der Praxis ist die Aufgabe zu mahnen noch immer sehr häufig und oft ausschließlich der Mahnabteilung, dem Debitorenmanagement oder allgemeiner der kaufmännischen Verwaltung zugeordnet. Teilweise gewinnt man gar den Eindruck, dass die Aufgabe zu mahnen, wie in einem „Schwarzer Peter Spiel“ der Stelle zugeordnet (oder zugeschoben?) wird, die sich am schlechtesten dagegen wehren kann.

Wenn die Aufgabe in dieser Art und Weise verteilt wird, dann darf es uns aber auch nicht wundern, wenn die dann zuständigen Akteure ihre Arbeit mit „wenig Herzblut und Feingefühl“ ausführen. Darüber hinaus dürfen wir nicht erwarten, dass diese Mitarbeitenden dann das Wissen, die Erfahrung und alle relevanten Informationen besitzen, um wichtige Kunden adäquat zu mahnen. Die zuständigen Mitarbeitenden aus dem Vertrieb, die Key-Account Manager, kennen ihre Kunden sehr gut, sie wissen, wen sie in welcher Angelegenheit ansprechen sollten und – vor allem – sie wissen sehr genau, welche Projekte aktuell mit dem Kunden laufen bzw. mit ihm geplant sind. Aus diesen Gründen wird eine Mahnung durch den zuständigen Vertriebler wesentlich effektiver, aber auch wesentlich reibungsloser verlaufen als eine Mahnung durch die Buchhaltung.

Unter dem Aspekt der Effektivität kann es im Umkehrschluss nicht sinnvoll sein, wenn Mitarbeitende aus dem Vertrieb die Kunden „am anderen Ende der Fahnenstange“ mahnen. Hier besitzenden Mitarbeitende aus dem Vertrieb keinerlei Wissens-, Erfahrungs- oder Informationsvorteile gegenüber Mitarbeitenden im Finanzbereich. Daher sollten diese Kunden auf jeden Fall vom Debitoren- oder Forderungsmanagement bzw. der Mahnabteilung gemahnt werden. Sofern es sich tatsächlich um schlecht bzw. verspätet zahlende Einmalkunden handelt, besteht mit entsprechender Softwareunterstützung sogar die Möglichkeit, diese Kunden vollautomatisiert ohne Eingriff und Aktivität von Mitarbeitenden zu mahnen.

Natürlich besteht Ihre Kundschaft nicht nur aus den beiden geschilderten Extremen. Die größte Anzahl Ihrer Kunden dürfte irgendwo dazwischen einzusortieren sein. Entscheidend ist, dass Sie jedem Kunden bzw. jeder klar abzugrenzenden Kundengruppe eindeutig die verantwortliche Stelle oder Person für Mahnungen zuordnen. Bei dieser Aufgabenverteilung können Sie folgende Aspekte in Betracht ziehen:

  1. Je größer, wichtiger, „älter“ und potenzialträchtiger Ihr Kunde ist, umso vertriebsnäher und höher in der eigenen Unternehmenshierarchie sollte die Zuständigkeit für die Mahnung angesiedelt sein.
  2. Je höher der Stellenwert Ihres Kunden ist und je komplexer die Geschäftsbeziehung zum Kunden ist, umso wichtiger ist es alle Facetten der Geschäftsbeziehung beim Mahnen zu kennen und zu berücksichtigen.
  3. Je fragiler und komplizierter Ihre Beziehung zum Kunden ist, umso feinfühliger und individueller muss das Mahnen gestaltet werden.
  4. Je wertvoller Ihr Kunde wirtschaftlich für Sie ist, umso mehr Aufwand dürfen und sollten Sie auf das Mahnen verwenden.

„Am Ende des Tages“ sollte in Ihrem Unternehmen eindeutig geregelt sein, welche Stelle für das Mahnen jedes Kunden zuständig ist.

Mahnen: Effektiv oder effizient?

Diese Frage gipfelt in der Praxis häufig in der Entscheidung, entweder telefonisch oder aber schriftlich zu mahnen. Während eine telefonische Mahnung nachgewiesenermaßen wesentlich erfolgreicher ist, ist der Aufwand für eine schriftliche Mahnung deutlich geringer; wenn Sie moderne Credit Management Software nutzen, können Sie den laufenden Aufwand für schriftliche Mahnungen nahezu auf „null“ reduzieren.

Die Entscheidung, ob Sie telefonisch oder schriftlich mahnen sollten, folgt den gleichen Kriterien, die bei der Entscheidung, wer die säumigen Zahler mahnen sollte, zugrunde gelegt wurden. Das heißt, je wichtiger der Kunde, je höher der fällige Betrag und je komplexer das zugrunde liegende Geschäft sind, umso wichtiger ist es, telefonisch – im Zweifel sogar im persönlichen Gespräch – zu mahnen.

Der Ton macht die Musik!

Das Bemühen um eine möglichst hohe Effizienz im Mahnprozess gipfelt häufig in der Erstellung eines (oder mehrerer) Standardschreiben. Es dürfte auf der Hand liegen, dass solche Standardschreiben kaum den unterschiedlichen Gegebenheit der Geschäftsbeziehung zu den Kunden gerecht werden können.

Es ist wahrscheinlich offensichtlich, dass wir Kunden, die lediglich einmalig vergessen haben, ihre Rechnung pünktlich zu zahlen, anders ansprechen sollten als Kunden, die sich in (vorübergehenden) wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Kunden, die gar in voller Absicht und regelmäßig unpünktlich zahlen, weil Sie den Lieferantenkredit möglichst lange unentgeltlich in Anspruch nehmen wollen, erfordern eine weitere, abweichende Ansprache.

Es sollte auch nicht überraschen, dass Schuldner, die Verbraucher sind, andere Problemstellungen haben als B2B-Kunden. Auch Sie sollten in einer angepassten Tonalität adressiert werden.

Last but not least sollten wir beim Mahnen auch auf kulturelle Unterschiede unserer Kunden achten. Neben der entsprechenden Sprache sollten im Export auch kulturelle Besonderheiten so weit als möglich ins Kalkül und in die Gestaltung der Mahnung einbezogen werden.

Ein Mehr an Komplexität fördert die Effektivität und die Effizienz

Wenn Sie Ihr Mahnkonzept anhand der oben genannten drei Kriterien differenzieren, dürfte Ihr Konzept und Ihr Prozess komplexer und differenzierter werden, als in jedem Fall drei aufeinanderfolgende, mahnstufenabhängige Standardschreiben zu verschicken. Da Sie aber kundenspezifischer agieren, wird der Erfolg Ihrer Mahnaktivitäten steigen. Durch die Fokussierung auf die wichtigen Kunden und die wichtigen Außenstände einerseits und die klare interne Arbeitsteilung und Kompetenzabgrenzung wird aber auch die Effizienz gesteigert werden.

Ein differenziertes Mahnkonzept wird dann sicherlich keine lästige Übung mehr sein. Stattdessen werden Sie das Mahnen als After-Sales-Marketing und Beziehungspflege zum Kunden etablieren.