„Mahnstrategie“: Übertrieben oder sinnvoll?

Wir kennen kein Unternehmen in Österreich, dass unbezahlte, überfällige Rechnungen nicht mahnt. Kein Handwerker, kein Händler, kein Industrieunternehmen, kein Dienstleistungsunternehmen und kein Freiberufler verzichtet freiwillig und ohne Not auf das ihm zustehende Geld. Daher versucht jeder dieser Gläubiger – auf die eine oder andere Art und Weise – an sein Geld zu kommen.

Die Aktivitäten und die Prozesse die dazu in den Unternehmen anzutreffen sind, erscheinen uns dabei so vielfältig, wie die Unternehmen selbst. Nicht selten wird viel Engagement gezeigt und ein hoher Aufwand betrieben, um die säumigen Zahler zur Begleichung der Rechnungen zu bewegen. Leider ist aber auch sehr häufig festzustellen, dass der damit verbundene Erfolg in einer eher schlechten Relation zum betriebenen Aufwand steht.

Von Experten wird daher oft der Rat erteilt, Unternehmen sollten eine Mahnstrategie erarbeiten und implementieren. Aber braucht es wirklich eine Strategie? Ist eine solche Strategie sinnvoll oder völlig übertrieben?

Um uns den Antworten auf diese Fragen zu nähern, sollten wir uns zunächst einmal anschauen, was unter einer Strategie zu verstehen ist. Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Strategie wie folgt: „Strategie wird definiert als die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise (Maßnahmenkombination) der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele.“ So weit so gut. Wenn wir ein wenig tiefer ins Detail gehen, wird in einer Unternehmensstrategie festgelegt, in welchem Feld ein Unternehmen tätig ist oder künftig sein wird, welche Ressourcen, Wettbewerbsvorteile und Synergien es nutzen kann oder will, um seine langfristigen Zielsetzungen zu erreichen[1].

Klar, handelt es sich bei den Mahnaktivitäten eines Unternehmens immer um Maßnahmenkombinationen, die hoffentlich meist grundsätzlich festgelegt werden. Sie sollten auch ständig kurzfristig geändert, sondern eher langfristig verfolgt werden. Aber reicht das, um von einer Mahnstrategie zu sprechen? Der eine sagt so, der andere sagt so. Am Ende des Tages handelt es sich unserer Meinung nach um eine rein akademische Fragestellung. Aber, wir haben eine gewisse Präferenz dafür, die „Früchte begrifflich nicht so hochzuhängen“. Denn das eine oder andere oder andere kleine oder mittelständische Unternehmen[2] könnte sich alleine vom verwendeten Begriff davon abschrecken lassen, sich mit einigen grundsätzlichen Fragen zum eigenen Mahnverfahren auseinander zu setzen.

Wir neigen daher dazu, den Unternehmen zu empfehlen, ein unternehmensspezifisches, strukturiertes Konzept für das Mahnen ausstehender Rechnungen zu entwickeln und effiziente Prozesse zu implementieren, die schnell und zuverlässig die angestrebten Ergebnisse hervorbringen. Das ist das, was auch KMU regelmäßig machen und was sie gut beherrschen.

Und was gehört in ein solches Mahnkonzept hinein?

Zunächst einmal – und das wird leider sehr häufig vernachlässigt – sollte das Konzept klare, nachvollziehbare Aussagen darüber enthalten, warum Ihr Unternehmen in der Art und Weise mahnt, wie es mahnt. Ihre Stakeholder – intern wie extern – müssen nachvollziehen können, was Ihre Beweggründe sind, welche Notwendigkeiten bestehen und welche Ziele Ihre Maßnahmen verfolgen. Insbesondere, wenn Sie spürbare Veränderungen zu Ihren bisherigen Handlungsweisen vornehmen wollen, müssen Sie den Beteiligten immer zwei Fragen beantworten: „Warum machen wird das?“ und „Warum machen wir das jetzt?“

Auf diesem Fundament können und müssen Sie Ihr Konzept dann „weiterbauen“:

Legen Sie fest, welche Akteure, welche Aufgaben mit welchen Kompetenzen in Ihrem Mahnkonzept haben. Außerdem sollte das Konzept wesentliche Festlegungen hinsichtlich der zu implementierenden Prozesse beinhalten. Dazu zählen die Art und Weise, wie säumige Zahler gemahnt werden. Der Zeitpunkt bzw. die Zeitpunkte, wann Schuldner kontaktiert werden, sind ebenso zu regeln wie die Häufigkeit der Mahnungen.

Da nicht jeder Mahnvorgang per sé erfolgreich ist, muss Ihr strukturiertes Konzept auch klare Regelungen enthalten, wann und wie die eigenen (kaufmännischen) Mahnaktivitäten beendet und externe (juristische) Schritte eingeleitet werden.

Aber, nicht jede ausstehende, fällige Zahlung darf gemahnt werden. Manchmal haben Kunden auch sehr gute und nachvollziehbare Gründe, Rechnungen nicht zu begleichen (z.B. formale oder inhaltliche Fehler in der Rechnungsstellung, gravierende Qualitätsmängel mit unbearbeiteten Reklamationen). Aus diesem Grund muss Ihr Mahnkonzept auch Aussagen darüber treffen, wann und wie Mahnsperren eingerichtet werden dürfen, wie diese überprüft und ggf. wieder aufgehoben werden.

Und nicht zuletzt ist in einem Mahnkonzept zu regeln, welche Systeme für das Mahnen genutzt werden und wie die Mahnaktivitäten dokumentiert und archiviert werden müssen.

An diesen aggregierten Ausführungen sehen Sie bereits, dass ein strukturiertes, systematisches und differenziertes Mahnkonzept viele Gestaltungselemente besitzt. Wie Sie diese Gestaltungsmöglichkeiten für Ihr Unternehmen sinnvoll nutzen, darüber wollen wir in unseren folgenden Veröffentlichungen detaillierter informieren.

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[1] vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/strategie-43591/version-266920

[2] https://www.bmaw.gv.at/Services/Zahlen-Daten-Fakten/KMU-in-%C3%96sterreich.html#:~:text=Im%20Jahr%202022%20z%C3%A4hlten%20rund,mit%20weniger%20als%20zehn%20Besch%C3%A4ftigten.m „Im Jahr 2022 zählten rund 601.300 Unternehmen in der marktorientierten Wirtschaft zu den KMU , das sind 99,8 Prozent aller heimischen Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft.“