Schutz vor Kundeninsolvenz: Ist das möglich, ist das nötig oder kann das weg?
Vor etwa einem Monat hat der KSV 1870 eine Hochrechnung veröffentlicht, nach der in den ersten drei Quartalen 2024 in Österreich 4.895 (+ 24,6 % gegenüber 2023) Unternehmen insolvent wurden. Auch die Zahl der Großinsolvenzen und die Höhe der Passiva* sind im betrachteten Zeitraum signifikant gestiegen.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Kundeninsolvenz deutlich zugenommen hat, sondern auch die Höhe des potenziellen Schadens. Für immer mehr Unternehmen, für Lieferanten und Dienstleister, stellt sich daher die Frage, wie sie sich vor der Insolvenz der Kunden und den damit einhergehenden Schäden schützen können.
100 Prozent Sicherheit: Das ist weder realistisch noch erstrebenswert
Es ist zwar die Aufgabe der verantwortlichen Leitungsgremien, ihr Unternehmen vor Risiken zu schützen und Schäden zu vermeiden, es ist aber nicht vollständig zu verhindern, dass ein Kunde im Verlauf einer Geschäftsbeziehung in die Insolvenz schlittert. Zwar können regelmäßig Bonitätseinschätzungen vorgenommen werden, die sich neben extern eingekauften Bonitätsauskünften von Experten auch auf interne Einschätzungen und Bewertungen stützen. In der Regel sind Insolvenzprognosen aber nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zu treffen. Selbst erstklassige, beste Ratingeinstufungen unterstellen eine (wenn auch sehr geringe, aber doch existierende) Ausfallwahrscheinlichkeit.
Was jede bzw. jeder Credit Manager:in jedoch verhindern kann und verhindern muss, ist die Belieferung oder die Erbringung von Dienstleistungen auf Zahlungsziel, für Kunden, die sich bereits in der Insolvenz befinden oder öffentlich bekannt bzw. leicht erkennbar nur kurz davor stehen. Es ist die Aufgabe der Credit Manager:innen, Lieferantenkredite nur dort und nur in der Höhe zu gewähren, wo die entsprechende Kreditwürdigkeit des Kunden geprüft und in hohem Maße wahrscheinlich ist.
Wenn eine Kundeninsolvenz schon nicht zu verhindern ist, ist es dann wenigstens möglich zu verhindern, dass auf Gläubigerseite ein Schaden entsteht? Im Prinzip ja, aber …
Natürlich könnten Sie als Lieferant oder Dienstleister versuchen, für jede Lieferung, die Sie tätigen oder Leistung, die Sie erbringen eine Sicherheit zu beschaffen bzw. sich eine Sicherheit stellen zu lassen. Die Möglichkeiten dafür sind sehr vielfältig: Bürgschaften, Forderungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Versicherungen usw.
Aber: Sicherheiten zu beschaffen kostet Zeit und sehr häufig auch Geld. Da wir im Credit Management nicht nur effektiv, sondern auch effizient und wirtschaftlich handeln müssen, müssen Zeit- und Geldeinsatz in einer angemessenen Relation zu dem bestehenden Risiko bzw. zum Nutzen der Risikovermeidung stehen. Konkret bedeutet das, dass wir bei Bagatell- und Kleinaufträgen keinen Absicherungsaufwand betreiben dürfen, der die mit den Aufträgen verbundenen Margen wieder „auffrisst“. Jedes Unternehmen ist daher gut beraten, für sich eine Kredithöhe zu definieren, die Kunden (gerne in Relation zu deren Bonität) eingeräumt wird, ohne Sicherheiten dafür zu verlangen. Wie hoch diese „sicherheitenfreie Kreditlinie“ gewählt wird, hängen vom jeweiligen Geschäft und dessen Besonderheiten einerseits und der Risiko- bzw. Sicherheitsneigung der Verantwortlichen andererseits ab. Es ist weniger wichtig, auf welche konkrete Kredithöhe sich im Unternehmen dabei verständigt wird, viel wichtiger ist es, diese Diskussion zu führen, zu dieser Frage eine interne Transparenz herzustellen und eine Entscheidung zu treffen, die im operativen Alltag möglichst wenig Aufwand bei Kleinst- und Kleinaufträgen erzeugt.
Und was können wir jenseits unserer „Schmerzgrenze“ tun?
Wenn der potenzielle Schaden im Insolvenzfall eine Höhe erreicht, wo die ausfallenden Forderungen den Bereich des Ärgerlichen übersteigen und mehr als nur „Schmerzen“ verursachen, ist es unserer Meinung nach nötig, Maßnahmen zur Absicherung gegen die Schäden von Forderungsausfällen zu ergreifen. Insbesondere dann, wenn die mögliche Insolvenz eines Kunden, zur Existenzgefährdung des eigenen Unternehmens führen kann. Folgeinsolvenzen, also die Insolvenz eines Gläubigers, weil die Forderungen gegen den Schuldner aufgrund dessen Insolvenz ausgefallen sind, ereignen sich nämlich gar nicht so selten.
Das Risiko der Existenzgefährdung besteht immer dann, wenn die Forderungsstruktur des Gläubigers „kopflastig“ ist. Wenn einzelne oder wenige Kunden einen überproportional sehr hohen Anteil am Forderungsbestand aufweisen, ist Vorsicht geboten. Die Insolvenz eines solchen Kunden kann dann sehr schnell auch zur Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers und damit zu dessen Insolvenz führen.
Die gute Nachricht dabei ist: Ein wirksamer Schutz gegen Ausfallschäden ist nicht nur nötig, sondern auch möglich.
Ob und in welcher Weise Sie sich gegen Forderungsausfallschäden versichern können, werden wir in Kürze in der Fortsetzung dieses Beitrags erläutern.