Veranstaltungsrückblick „Working Capital Management – Schlüssel zur nachhaltigen Liquiditätssicherung“

Fachdialog BÖB / BVCM / ICV
25. September 2025

Fast 100 Teilnehmenden besuchten den ersten (virtuellen) Workshop „Working Capital Management — Schlüssel zur nachhaltigen Liquiditätssicherung, der in Zusammenarbeit zwischen dem BvCM Österreich, BÖB und ICV veranstaltet wurde.

Liquidität ist in volatilen Zeiten die entscheidende Währung: Gewinne lassen sich bilanzieren, nur Cash sichert Zahlungskraft und Handlungsfähigkeit. Diese Kernaussage zog sich durch die Keynote von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Klepzig und die Praxis-Inputs der Veranstaltung. Prof. Dr. Klepzig forderte eine Verschiebung des Blicks von der reinen G&V- zur cashorientierten Sicht: Cashflow-Analyse und Working Capital-Steuerung (mit den Kennzahlen Days Inventory, Days Sales Outstanding, Days Payable) sind seiner Meinung nach heute „Betriebssicherheits-Werkzeuge“ – nicht nur Kennzahlen.

Prof. Klepzig machte deutlich, dass Working Capital das verzinsbare Umlaufvermögen beschreibt und der Cash-to-Cash-Cycle (DIO + DSO − DPO) die relevante Brücke zwischen operativen Prozessen und Liquidität ist. Anhand von Beispielen (u. a. Automotive-Zulieferer, Sojabauern, Offshore- vs. Nearshore-Beschaffung) zeigte er, wie Bestandsaufbau, verlängerte Zahlungsläufe und längere Transportzeiten die Liquiditätslage rasch verschlechtern können — trotz günstiger Beschaffungspreise. Kurzfristige Hebel seien möglich, erforderten aber konsequente Prozessarbeit und Abstimmung über Abteilungsgrenzen hinweg.

 

Credit- und Risiko-Perspektive: Stefan Wisst

In dem Praxisvortrag von Herr Stefan Wisst, Head of Creditmanagement & Account Receivable, Symrise AG, ging es um die operative Perspektive des Credit- und Forderungsmanagements: Working Capital sei „Tempomanagement“ für die Bilanzpositionen, nicht nur ein reines Controlling-Projekt. Er warnte vor zu einseitigen Eingriffen (z. B. starre DSO-Vorgaben), die kurzfristig KPI-Verbesserungen bringen, langfristig aber Kundenbeziehungen und Umsatz gefährden können. Herr Wisst plädierte stattdessen für segmentierte, marktgerechte Regeln (Kunden-Segmente, Regionen), eine enge Anbindung des Credit Managements an Vertrieb/Einkauf und für pragmatische Maßnahmen wie feste Ansprechpartner, SEPA-Lastschrift-Anreize und schnellere, fehlerfreie Rechnungsstellung.

Sein Praxishinweis: Working Capital-Optimierung funktioniert nur, wenn alle Beteiligten (Einkauf, Produktion, Vertrieb, Finance) in einem gemeinsamen Rahmen Ziele verfolgen — idealerweise unterstützt durch ein Cash-Office oder eine zentrale Verantwortung mit Rückendeckung der Geschäftsführung.

 

Restrukturierung und Sanierung: Christian Andre

Herr Mag. Christian Andre, Interim CFO und Partner von dieSaremas, brachte die Perspektive aus dem Themenfeld Restrukturierung und Insolvenzmanagement in die Betrachtung ein. In seinem Fallbeispiel (großer Dienstleister/Reinigungsunternehmen) zeigte er, wie schnell Liquiditätsengpässe durch Lohn- und Abgabenfälligkeiten sowie hohe Personalanteile entstehen. In Restrukturierungen gehe es nicht nur um einmalige Notmaßnahmen: Liquiditätssicherung müsse kurzfristig (z. B. Factoring, Veräußerung nicht-betriebsnotwendiger Assets) und mittelfristig (Prozess- und Kulturänderungen, verlässliche Reporting-Infrastruktur) erfolgen. Wichtige Instrumente sind nach seiner Erfahrung dabei kurzfristige Rolling-Forecasts (13-Wochen-Plan) und eine saubere, tagesaktuelle Buchhaltung.

Herr Andre betonte außerdem: Das Vertrauen von Mitarbeitern, Banken und Behörden ist fragil — verspätete Lohnzahlungen oder Steuer-/SV-Rückstände können Fluchtreaktionen (Kündigungen, Kreditentzug) auslösen. Deshalb müsse Liquiditätsarbeit operativ schnell wirken und anschließend kulturell verankert werden.

 

Panel-Diskussion: Perspektiven, Verantwortung, Kultur

In der anschließenden Podiumsrunde (u. a. gemeinsam mit Herrn Dr. Hendrik Vater, CFO, DHL Supply Chain Italy Group) kristallisierte sich ein zentrales Thema heraus: Verantwortlichkeit und Cash-Culture. 

Die Panel-Teilnehmer forderten, Cash-Ziele im Top-Management zu verankern (CEO/CFO) und gleichzeitig in alle Management-Ebenen hineinzutragen. Nur so lassen sich ihrer Meinung nach Zielkonflikte zwischen Vertrieb, Produktion und Einkauf entschärfen. Lean-Ansätze seien weiterhin sinnvoll, aber vielfach fehlinterpretiert: zu „magere“ Bestände gefährden bei Lieferketten-Störungen die Lieferfähigkeit. Working Capital sei deshalb auch Risikomanagement.

Die praktischen Empfehlungen aus dem Panel lauten: 

  • kurzfristige Transparenz durch z.B. tägliche/wöchentliche Cash-Views herstellen
  • klar definierte Eskalations- und Entscheidungswege implementieren
  • die Implementierung eines Cash-Offices mit direkter Berichtslinie zur Geschäftsführung vornehmen

 

Takeaways — was Unternehmen jetzt tun sollten

  • Sofort: Direkte Cashflow-Analyse (tages-/wochenbasiert, 13-Wochen-Rolling-Forecast) durchführen.
  • Kurzfristig: Prozesschecks (Rechnungsstellung, Eigentums-/Zahlungsauslöser, Zahlungsläufe), Schulungen des Mittelmanagements und die Einrichtung eines Cash-Office realisieren.
  • Mittelfristig: Organisation & Ziele optimieren: Eine Cash-Kultur mit klaren Verantwortungen und abgestimmten Zielvereinbarungen über Einkauf, Produktion und Vertrieb implementieren.
  • Strategisch: Sourcing-Entscheidungen (Nearshoring vs. Offshore) nicht nur nach Preis-, sondern nach Liquiditätswirkung beurteilen.

Prof. Dr. Klepzig fasste zusammen: Working Capital ist kein Einmalprojekt — bei gezieltem Vorgehen sind Reduktionen von bis zu 30 % binnen eines Jahres möglich; Liquidität bedeutet unternehmerische Freiheit.